Mecklenburg-Vorpommern, das Bundesland was mit dem Slogan wirbt: „Das Land zum Leben“, ist bekannt für seine malerischen Landschaften und Ostseestrände, kämpft aber im Jahr 2024 mit einer ernüchternden Realität: Denn das Bundesland belegt im Bitkom Länderindex den letzten Platz in der Kategorie „Digitale Wirtschaft“. Dieser Umstand wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, denen sich das Land im Bereich der Informationstechnologie (IT) gegenübersieht.
Mit nur 1,7 Prozent IT-Unternehmen im Vergleich zum Länderdurchschnitt von 2,9 Prozent und lediglich 1,1 Prozent IT-Fachkräften gegenüber einem Durchschnitt von 2,6 Prozent offenbart sich eine eklatante Lücke in der digitalen Infrastruktur des Landes. Diese Zahlen sind alarmierend, insbesondere wenn man bedenkt, dass Spitzenreiter Hamburg einen Anteil von 4,8 Prozent an IT-Fachkräften vorweisen kann.
Ein entscheidender Faktor für diese Diskrepanz liegt in der Gehaltssituation.
Laut dem StepStone Salary Report 2023 beträgt das durchschnittliche Jahresgehalt für IT-Fachkräfte in Mecklenburg-Vorpommern rund 36.200 Euro, was deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt von 43.800 Euro liegt. Im Vergleich dazu bietet Hamburg, das Bundesland mit den höchsten Durchschnittsgehältern, ein jährliches Einkommen von 48.100 Euro für IT-Fachkräfte. Diese Gehaltsunterschiede erschweren es Mecklenburg-Vorpommern, qualifizierte IT-Fachkräfte anzuziehen und zu halten.
Die Gründe für diese digitale Kluft sind vielschichtig.
Einerseits mangelt es an attraktiven Arbeitsplätzen für hochqualifizierte IT-Spezialisten. Andererseits scheint das Land Schwierigkeiten zu haben, vorhandene Fachkräfte zu halten oder neue anzuwerben. Dr. Ralf Wintergerst, Präsident des Digitalverbands Bitkom, warnt:
Ohne IT-Spezialisten verspielt Deutschland seine digitale Zukunft
Diese Aussage trifft auf Mecklenburg-Vorpommern in besonderem Maße zu.
Ein Blick auf die Startup-Szene verstärkt auch diesen Eindruck: Mit nur 19 Neugründungen im Jahr 2023 liegt Mecklenburg-Vorpommern weit hinter anderen Bundesländern zurück. Zum Vergleich: In Berlin wurden im selben Zeitraum 12,5 Startups pro 100.000 Einwohner gegründet. Diese Zahlen verdeutlichen die Schwierigkeiten des Landes, ein dynamisches und innovatives Umfeld für die IT-Branche zu schaffen.
Doch warum gelingt es Mecklenburg-Vorpommern nicht, um die IT-Fachkräfte im eigenen Land zu werben?
Eine Umfrage der Universität Greifswald unter 506 kleinen und mittleren Unternehmen zeigt, dass 66 Prozent der Befragten das Finden und Halten von Fachkräften als Hauptherausforderung für die kommenden Jahre sehen. Besonders betroffen sind das Gastgewerbe und der Tourismus, wo 87 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten bei der Personalsuche angeben.
Ein weiterer Faktor, der die Attraktivität des Standorts beeinträchtigt, ist die mangelnde Flexibilität vieler Unternehmen in Bezug auf moderne Arbeitsmodelle. Während in IT-Hochburgen wie Berlin oder München Remote-Arbeit und hybride Arbeitsmodelle längst zum Standard gehören, halten viele Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern an traditionellen Präsenzmodellen fest. Dies steht im Widerspruch zu den Erwartungen vieler IT-Fachkräfte, die Flexibilität und Work-Life-Balance zunehmend als entscheidende Faktoren bei der Jobwahl betrachten.
Auch scheinen die Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern den digitalen Wandel nicht als Priorität zu betrachten. Nur 25 Prozent der befragten Unternehmen planen, zwischen 2025-2030 ein digitales „Zukunftsthema“ anzugehen, und lediglich 4 Prozent beabsichtigen, künstliche Intelligenz einzusetzen. Diese Zahlen legen nahe, dass es nicht nur an Fachkräften mangelt, sondern auch an einem Bewusstsein für die Notwendigkeit der digitalen Transformation.
Die Landesregierung scheint die Problematik erkannt zu haben.
Im Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung werden digitalpolitische Zuständigkeiten gebündelt. Doch reicht das aus? Kritiker argumentieren, dass ein eigenständiges Digitalministerium notwendig wäre, um den Herausforderungen adäquat zu begegnen.
Initiativen wie die „NØRD„, die größte Convention zum Thema Digitale Transformation in Mecklenburg-Vorpommern, versuchen, digitale Vorreiter, Startups und Unternehmen zu vernetzen.
Die DVZ Datenverarbeitungszentrum Mecklenburg-Vorpommern GmbH, der IT-Dienstleister der öffentlichen Verwaltung, beschäftigt knapp 700 Mitarbeiter und versucht, die Zukunft der digitalen Verwaltung zu gestalten.
Doch trotz solcher Bemühungen bleibt die Frage: Reicht das aus, um den Anschluss an andere Bundesländer nicht zu verlieren?
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur ihre Gehaltsstrukturen überdenken, sondern auch innovative Arbeitsmodelle implementieren. Erfolgreiche Regionen wie Hamburg oder Baden-Württemberg zeigen, dass eine Kombination aus attraktiven Gehältern, flexiblen Arbeitsmodellen und einem dynamischen Startup-Ökosystem entscheidend für die Anziehung von IT-Talenten ist.
Mecklenburg-Vorpommern steht vor der Herausforderung, nicht nur Fachkräfte anzuwerben, sondern auch ein Ökosystem zu schaffen, das Innovation fördert und digitale Unternehmen anzieht.
Die Frage bleibt:
Kann das Land den Spagat zwischen idyllischem Urlaubsparadies und modernem IT-Standort meistern? Die Antwort wird entscheidend sein für die wirtschaftliche Zukunft des Bundeslandes in einer zunehmend digitalisierten Welt.