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Der Satz „Das dritte Reich begann nicht mit Konzentrationslagern, sondern mit einer Politik des ‚Wir gegen die‘“ erinnert uns daran, dass große Katastrophen selten mit einem Paukenschlag beginnen. Vielmehr sind sie das Resultat schleichender, oft kaum bemerkter Veränderungen im gesellschaftlichen und politischen Klima. Die systematische Ausgrenzung, Verfolgung und letztlich Vernichtung von Millionen Menschen im Nationalsozialismus war das grausame Endresultat einer Entwicklung, die mit Worten begann – mit Hetze, Diffamierung und einer schrittweisen Entmenschlichung ganzer Bevölkerungsgruppen.
Was damals passierte, wirft auch heute Schatten auf unsere Zeit.
In der politischen und medialen Landschaft ist die Erinnerung an die Gräueltaten der Vergangenheit allgegenwärtig, doch die Warnungen aus der Geschichte scheinen oft ungehört zu verhallen. Rechte Ideologien gewinnen in Europa und anderen Teilen der Welt wieder an Auftrieb. Was zunächst wie isolierte radikale Randstimmen wirkt, entwickelt sich zunehmend zu einer breiteren Bewegung, die Hass, Intoleranz und das „Wir gegen die“ wieder in die Mitte der Gesellschaft bringt. Der Hass auf Migranten, ethnische und religiöse Minderheiten sowie auf Andersdenkende, der oft subtil beginnt, scheint erneut salonfähig zu werden. Doch was sind die Mechanismen, die diesem Phänomen zugrunde liegen, und wie können wir eine Wiederholung der Geschichte verhindern?
Ein Blick auf den Beginn des Nationalsozialismus zeigt, dass es nicht die Konzentrationslager waren, die den Auftakt der menschenverachtenden Politik markierten, sondern die schrittweise Aberkennung von Grundrechten und die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz von Diskriminierung. Es begann mit Worten: Juden wurden diffamiert, als „Volksschädlinge“ oder „Parasiten“ bezeichnet. Die Entmenschlichung ganzer Gruppen war ein langwieriger Prozess, der sich über Jahre hinweg in der Propaganda manifestierte und schrittweise die gesellschaftliche Akzeptanz für immer radikalere Maßnahmen vorbereitete.
Heute erleben wir ähnliche Dynamiken, wenn in der politischen Debatte wiederholt von „Überfremdung“, „Islamisierung“ oder „Wirtschaftsflüchtlingen“ gesprochen wird. Auch hier beginnt der Prozess der Entmenschlichung nicht mit Gewalt, sondern mit dem gezielten Einsatz von Sprache, die Menschen auf ihre vermeintlichen ökonomischen oder kulturellen Eigenschaften reduziert. Die Hetze gegen Minderheiten, vor allem in sozialen Medien, wird oft als freie Meinungsäußerung verteidigt, doch die Geschichte lehrt uns, dass Worte nicht harmlos sind. Sie sind der erste Schritt auf einem gefährlichen Weg.
In den 1930er Jahren war es nicht nur die aktive Zustimmung zur NS-Politik, die den Aufstieg Hitlers ermöglichte, sondern auch das stille Wegschauen vieler Bürger. Dieses Phänomen wiederholt sich auch heute. Wie oft hören wir von Übergriffen auf Migranten oder antisemitischen Vorfällen, und wie oft bleibt die Reaktion darauf verhalten? Nicht nur die gesellschaftliche Mitte, auch die Medien stehen in der Verantwortung. Journalisten und Redaktionen müssen sich fragen, ob sie ihrer Rolle als vierte Gewalt im Staat gerecht werden, oder ob sie durch das bloße Berichten über rechtsradikale Äußerungen und Angriffe die Spirale der Radikalisierung weiter antreiben.
Ein besonders besorgniserregendes Beispiel ist der Umgang mit Verschwörungstheorien, die sich vor allem in Krisenzeiten – sei es während der Covid-19-Pandemie oder in der aktuellen Energiekrise – rasant verbreiten. Diese Theorien, die oft antisemitische Stereotype bedienen oder gezielt gegen bestimmte Gruppen hetzen, finden nicht nur in den dunklen Ecken des Internets Zuspruch, sondern dringen zunehmend in den Mainstream vor. Die Verantwortung der Medien, diesen Entwicklungen entschieden entgegenzutreten, ist heute größer denn je. Doch auch hier gilt: Der einfache Hinweis auf Meinungsfreiheit genügt nicht. Die journalistische Ethik fordert eine klare Haltung gegenüber menschenverachtender Rhetorik.
Auch die Politik spielt eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung oder dem Abbau von gesellschaftlichen Spannungen. In Europa stehen mehrere Länder vor politischen Umbrüchen, in denen rechtspopulistische Parteien auf deutliche Wahlerfolge hoffen. Mit scharfer Rhetorik gegen Migranten und der Betonung nationaler Identität setzen sie auf einfache Feindbilder, die Wählerstimmen bringen sollen. Es sind dieselben Mechanismen, die in den 1930er Jahren den Aufstieg des Nationalsozialismus ermöglichten: Das System des „Feindbilds“ schafft klare Fronten und lenkt von tiefer liegenden Problemen ab.
In Deutschland, Frankreich und Italien gewinnen diese Parteien kontinuierlich an Einfluss, und das nicht zuletzt durch die Ausnutzung sozialer Spannungen und ökonomischer Unsicherheiten. Arbeitslosigkeit, steigende Inflation und die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs bieten Nährboden für radikale Positionen. Doch statt Lösungen zu präsentieren, setzen sie auf Schuldzuweisungen. Ob es die „faulen Südeuropäer“, die „kriminellen Flüchtlinge“ oder die „geldgierigen Eliten“ sind – das Feindbild ist schnell zur Hand. Auch dies erinnert an die frühen Jahre des Nationalsozialismus, in denen die wirtschaftliche Not der Weimarer Republik als Katalysator für radikale Lösungen diente.
Im Fokus dieser gesellschaftlichen Spannungen stehen auch die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen die am 1. September 2024 stattfanden. In Sachsen konnte die CDU unter Ministerpräsident Michael Kretschmer mit knapper Mehrheit vor der AfD gewinnen, die als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Die AfD erzielte 30,6 Prozent der Stimmen, während die CDU mit 31,9 Prozent knapp die Nase vorn hatte. Ein bemerkenswerter Aufsteiger war das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das mit 11,8 Prozent drittstärkste Kraft wurde. Die Regierungsbildung gestaltet sich jedoch kompliziert, da eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen wird.
In Thüringen hingegen triumphierte die AfD deutlich und wurde stärkste Kraft. Dies stellt die etablierten Parteien vor große Herausforderungen, da die Bildung stabiler Koalitionen ohne die AfD schwierig wird. Die politische Polarisierung und die Frage, wie mit dem Erfolg der AfD umgegangen werden soll, dominieren die Diskussionen.
In Brandenburg steht die Landtagswahl am 22. September 2024 noch bevor. Die aktuelle Koalition aus SPD, CDU und Grünen unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sieht sich wachsender Konkurrenz durch die AfD gegenüber, die auch hier in Umfragen stark abschneidet. Die Wahl wird als entscheidend für die politische Zukunft des Landes angesehen, da sie die Kräfteverhältnisse und mögliche Koalitionsoptionen neu bestimmen könnte.
Ein zentrales Element im Kampf gegen das Wiederaufleben extremistischer Ideologien ist die Zivilgesellschaft. Historisch gesehen war es immer die Stille der Mehrheit, die den Aufstieg totalitärer Regime begünstigte. Die wenigen, die den Mut hatten, gegen die Nazis aufzubegehren, wurden oft ignoriert oder verfolgt. Heute, im digitalen Zeitalter, haben wir mehr Möglichkeiten denn je, uns zu informieren, zu vernetzen und aktiv gegen Hass und Intoleranz vorzugehen. Doch diese Möglichkeiten werden nicht immer genutzt.
Proteste gegen rechte Gewalt und Ausgrenzung sind oft nur von einer Minderheit getragen, während die breite Gesellschaft passiv bleibt. Die Erinnerung an die Schrecken des Dritten Reichs ist zwar im kollektiven Bewusstsein verankert, doch der Wille, aus der Geschichte zu lernen, scheint oft begrenzt.
Und diese Frage bleibt: Wie viel müssen wir über die Vergangenheit wissen, um die Gefahren der Gegenwart zu erkennen? Und was ist unsere Verantwortung, wenn wir erkennen, dass die Mechanismen, die einst zu den größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte führten, erneut in Kraft treten? Das „Wir gegen die“, das in den 1930er Jahren begann, könnte heute in abgewandelter Form wieder an Fahrt gewinnen – wenn wir nicht aufpassen.